Kita-Beschäftigte an Belastungsgrenze: Bundesweit mehr Krankheitstage und Ausfallzeiten

Mitarbeiter:innen in Kitas sind deutlich häufiger krank, als der Durchschnitt aller Berufsgruppen. Das belegen die Zahlen einer Auswertung der Bertelsmann-Stiftung auf Grundlage von Daten der Krankenkassen: Im Jahr 2023 waren das durchschnittlich knapp 30 Tage; rund 20 Tage sind es bei allen Berufsgruppen. Damit führen Krankheitstage zu einem Großteil der Ausfallzeiten beim Kita-Personal und schlussendlich zu Einschränkungen in Kitas – und zwar bundesweit! Darüber berichten aktuell zahlreiche Medien und zeigen auf, dass die Belastungen für Kita-Mitarbeiter:innen in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. 

Auch unsere Outlaw-Kitas mussten im vergangenen Jahr immer wieder Öffnungszeiten kürzen, Gruppen schließen oder teilweise sogar ganz schließen. Das liegt, wie in der Auswertung belegt, zum einen an den gestiegenen Ausfallzeiten aufgrund Krankheit. Zum anderen auch an den insgesamt unzureichenden Rahmenbedingungen für gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung. Dazu zählen vor allem der realitätsferne Fachkraft-Kind-Schlüssel und fehlende Investitionen bzw. Refinanzierungen. Denn wenn alle Faktoren zusammenkommen, entsteht ein Teufelskreis, aus dem die Kitas bzw. Träger von Kindertagesbetreuungsangeboten nicht allein rauskommen. 

Politik muss Problem gezielt angehen!

Die Bertelsmann Stiftung fordert deshalb, dass die Politik dieses Problem gezielt angehen muss. Outlaw unterstützt diese Forderung und macht auch selbst auf die Missstände aufmerksam – vor allem im Kita Bündnis NRW und im Rahmen der Kampagne „Starke Kitas für starke Kinder“ in Sachsen sowie im Berliner Aktionsbündnis und der Kita Stimme Berlin. Denn insgesamt leidet nicht nur die Qualität frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in den Einrichtungen. Für viele Familien ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter diesen Bedingungen kaum möglich. Und das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem!

Realitätsferner Fachkraft-Kind-Schlüssel und fehlende Investitionen

Den beschriebenen Teufelskreis skizziert Barbara Mag, Fachgebietsleitung Kita im Ruhrgebiet am Beispiel der KiBiz-Revision 2020 : „In den Lockdowns zur Corona-Krise wurde das ganze Ausmaß der Revision noch nicht so deutlich, aber mit Wiedereinführung des Regelbetriebs zeigte sich, dass die Zahlen des KiBiz-Personalstundenrechners der Landschaftsverbände, selbst bei maximaler Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Budgets, der Realität nicht gerecht werden. Dies betrifft durchweg alle Einrichtungen, lässt sich aber besonders in kleinen Kitas anschaulich erklären.“ 

Ein Beispiel: Bei 20 sogenannten „sonstigen Personalstunden“ (laut Rechner), etwa in einer 2-Gruppen-Kita, wird das Mindestpersonal bereits bei krankheitsbedingtem Ausfall nur einer Teilzeitkraft schnell unterschritten. Und in Verbindung mit einem geplanten Urlaub einer weiteren Fachkraft wird es umso fataler. Es entsteht ein Teufelskreis: Überstunden werden aufgebaut (die später wieder abgebaut werden müssen), wird das Mindestpersonal unterschritten, muss eine Meldung gem. § 47 SGB VIII an das zuständige Jugendamt erfolgen. Es folgt Personalausfallmanagement – und das können eingeschränkte Öffnungszeiten, Gruppenschließungen oder Teilschließungen sein. Das setzt Eltern unter Druck und diese tragen ihren Unmut oft in die Kitas. Fachkräfte müssen Ausfallzeiten kranker Kolleg:innen ausgleichen und dem folgen meist weitere erkrankte Kolleg:innen, weil die Belastung zunimmt. Dazu kommen die gestiegenen Bedürfnisse der Kinder und ein Anstieg von herausforderndem Verhalten – beidem können Fachkräfte in dieser Situation nicht gerecht werden. 

Belastungsgrenze erreicht: Psychische Erkrankungen nehmen zu

Die Folge sind langzeiterkrankte Erzieher:innen bis hin zu Kündigungen wegen Überforderung und Resignation und zum Schluss Stellenbesetzungsprobleme. Denn viele Fachkräfte verlassen das Kita-System und stehen nicht mehr zur Verfügung, Das verstärkt den Fachkräftemangel zusätzlich. „Diese Abwärtsspirale kann nur unterbrochen werden, wenn der der Betreuungsschlüssel in Kombination mit einer auskömmlichen Refinanzierung deutlich nach oben angepasst wird und somit zum einen Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die dem Erziehungs- und Bildungsauftrag entsprechen, und zum anderen den Familien verlässliche Betreuung ermöglicht wird“, fordert Barbara Mag.

Dies belegen auch die Zahlen der Auswertung: Neben Atemwegserkrankungen sind es bei Kita-Beschäftigten zunehmend psychische Erkrankungen, die krank machen – und diese Zahlen sind im Kita-Bereich deutlich höher als im Schnitt aller Berufsgruppen (Vgl. Auswertung Seite 6). Der enorme Anstieg dieser Ausfalltage lasse sich seit 2022 beobachten. „Die bisherige Studienlage sowie die […] Ergebnisse lassen ein Muster erkennen, welches sich in besonderem Maße nachteilig auf die Einrichtungen der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) auswirkt“ (Vgl. Auswertung, Seite 6). 

Und so führt der Personalmangel zu schlechten Arbeitsbedingungen und erhöht die Arbeitsbelastung der Kita-Mitarbeiter:innen, das trägt weiter zu erhöhten krankheitsbedingten Fehlzeiten bei. Insgesamt führt dieser Kreislauf zu einem zusätzlichen Anstieg des Personalmangels (Vgl. ebd.).

Ständiges Abwägen zwischen Absicherung Betreuung und pädagogischer Bildung

Laut der Auswertung fehlten in Ostdeutschland Kita-Mitarbeitende krankheitsbedingt sogar im Schnitt 34 Tage. "Durch die Ausfälle der pädagogischen Fachkräfte durch Krankheit und in Verbindung mit Urlaubs- sowie und Weiterbildungstagen sind die Abwesenheiten der Mitarbeitenden nochmal höher. Es ist ein ständiges Abwägen zwischen der Sicherstellung der Öffnungszeiten, der pädagogischen Weiterentwicklung und der Absicherung der notwendigen Verwaltungsaufgaben für die Einrichtung", erklärt Nora Schönberg, Qualitätsbeauftragte Kitas in Sachsen und Interims-Fachgebietsleitung Kitas Leipzig.

Und das hat Folgen: "Diese anhaltende Situation führt auch dazu, dass die Kolleg:innen längere Genesungsverläufe haben, da sie anhaltend unter angespannten Arbeitsbedingungen arbeiten. Sie fallen durchschnittlich häufiger und länger aus. Dies resultiert dem benannten Teufelskreis, in dem anhaltend nicht das Personal in den Einrichtungen anwesend ist, das eigentlich verfügbar ist" zeigt Nora Schönberg auf. Dann müssen Weiterbildungen im Ernstfall abgesagt werden und Leitungen sind regelmäßig im Gruppendienst eingesetzt, um die Öffnungszeiten der Kita zu halten. Besonders in den Monaten Oktober bis März, der Erkältungszeit, sind die Ausfälle besonders hoch und Öffnungszeiten müssen regelmäßig eingekürzt werden. 

Um Ausfälle auszugleichen könnten Fachkräfte über Personaldienstleister eingesetzt werden. "Das ist allerdings nicht nur teuer, sondern auch nicht refinanziert und so können wir keine zusätzlichen Springer:innen einsetzen. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeitenden, sondern auch auf die pädagogische Qualität der Einrichtungen. Geplante Aktionen müssen immer wieder verschoben oder umorganisiert werden, auch dieser Stress durch fehlende Planungssicherheit wirkt sich auf das ganze System und nicht zuletzt auf das Wohlbefinden der Kinder aus", betont die Qualitätsbeauftragte. Denn Kinder brauchen verlässliche Bezugspersonen, Strukturen und Abläufe, die ihnen Sicherheit geben. Und das ist der Auftrag, den alle pädagogischen Fachkräfte im Rahmen der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung erfüllen möchten - aber im Teufelskreis des aktuellen Kita-Systems können sie das nicht. 

Quelle:
Krankenstand in Berufen der Kinderbetreuung und -erziehung
Eine Auswertung von Krankenkassendaten

 

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