Wachsende Defizite in Kindertageseinrichtungen: Kita-Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes beleuchtet aktuelle Kita-Lage

125.000 Fachkräfte fehlen bundesweit in den Kitas – das belegt der aktuelle Kita-Bericht 2024 des Paritätischen Gesamtverbandes, der die bundesweit dramatische Situation in den Kitas beleuchtet. Besonders alarmierend ist, dass sich die Situation in vielen Kindertageseinrichtungen in den vergangenen zwei Jahren deutlich verschlechtert hat. Die bisherigen Bemühungen von Bund und Ländern, die Qualität in Kitas zu sichern, konnten diese Entwicklung nicht aufhalten. Dies kann der aktuellen Pressemitteilung des Paritätischen Gesamtverbandes entnommen werden. 

„Die aktuelle Situation in vielen Kindertageseinrichtungen ist alarmierend, wie die Befragung des Paritätischen Gesamtverbands erneut zeigt“, betont Ute Jansen, Outlaw-Geschäftsleitung Kita und ergänzt: „Bundesweit fehlen in jeder Kita im Durchschnitt mehr als zwei Fachkräfte – das ist sehr besorgniserregend, denn viele Kitas sind bereits stark überlastet und von Personalausfällen betroffen. Daher benötigen wir dringend bessere Rahmenbedingungen, um Mitarbeiter:innen zu entlasten, Personalausfälle zu reduzieren und allen Kindern eine bestmögliche Chance auf Bildung zu ermöglichen. Darüber hinaus benötigen wir als freier Träger dringend eine strukturelle Anpassung der finanziellen Rahmenbedingungen. Nur so können wir Eltern wieder eine verlässliche Betreuung sowie eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf bieten.“

Durchschnittlich fehlen in jeder Kita mehr als zwei Fachkräfte, häufig sind es sogar mehr. Das entspricht aktuell 125.000 fehlenden Fachkräften im gesamten Bereich der Kindertagesbetreuung. „Fehlende Fachkräfte sind ein doppeltes Problem“, merkt Juliane Meinhold, Leiterin der Abteilung für soziale Arbeit, an. „Personalmangel führt zu zusätzlichen Überstunden und einer zunehmenden Überlastung der vorhandenen Mitarbeiter*innen. Damit drohen weitere Personalausfälle. Und die Kinder haben das Nachsehen, weil Aktivitäten und Förderung eingeschränkt werden.“

Diese Zusammenhänge verdeutlicht auch der neu geschaffene Kita-Belastungs-Index, der zeigt, dass 22 Prozent der erfassten Kindertageseinrichtungen stark mehrfachbelastet sind. Das Schwerpunktthema des diesjährigen Kita-Berichts ist die Umsetzung von Inklusion. Erstmalig liegen Erkenntnisse zu der Umsetzung von Inklusion in Kindertageseinrichtungen vor. „Kinder mit Behinderung sind die besonders Leidtragenden in dieser Situation“ betont Juliane Meinhold. „Fehlende personelle Ausstattung und lange Verfahren verhindern, dass Kinder rechtzeitig die notwendige Unterstützung erhalten. Viele Fachkräfte und Eltern fühlen sich alleine gelassen“.

Mit dem sogenannten Gute-Kita-Gesetz hat der Bund ab dem Jahr 2019 die Hoffnung geweckt, dass sich die Situation in Kindertageseinrichtungen flächendeckend verbessern könnte. Der Kita-Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes zeigt aber sehr deutlich, dass sich zwischen 2021 und 2023 die Rahmenbedingungen in den meisten Kitas verschlechtert haben, insbesondere weil sich der Fachkräftemangel als große Belastung erweist. Der Paritätische Gesamtverband fordert, mehr Fachkräfte durch bessere Rahmenbedingungen in der Ausbildung zu gewinnen. So sollte grundsätzlich kein Schulgeld mehr gezahlt werden müssen, die Anrechnung von Auszubildenden auf den Personalschlüssel muss aufhören. Gleichzeitig ist zusätzliches Personal in inklusiv arbeitenden Kindertageseinrichtungen und in Einrichtungen mit einem hohen Anteil von Kindern, die von Benachteiligung bedroht sind, notwendig. Juliane Meinhold schlussfolgert: „Alle Kinder müssen in der Kita gut betreut werden. Und alle Mitarbeiter:innen müssen ihre Arbeit gut machen können. Das wird ohne eine zusätzliche Stärkung von Kindertageseinrichtungen nicht möglich sein.“

Hier macht sich auch das Kita Bündnis NRW stark:

Ein zentrales Thema des Kita-Berichts 2024 ist die Entwicklung der Kosten: Im Ländervergleich ist das angebliche „Wirtschaftsland Nr. 1“ Nordrhein-Westfalen neben Bremen das traurige Schlusslicht: Rund drei Viertel der in NRW befragten Kitas geben an, dass ihre Personalkosten nicht auskömmlich finanziert sind! Was es de facto braucht, um die Kita-Lage NRW vor dem drohenden Kollaps zu retten, hat das Kita-Bündnis NRW erst Mitte Mai vor dem Düsseldorfer Landtag betont, der zuständigen Familienministerin Josefine Paul eine Petition mit 35.000 Unterschriften übergeben und klar kommuniziert: "Die Landesregierung muss jetzt handeln, um das Überleben der insgesamt 8.000 freien Kita-Träger – also drei Viertel aller Träger im Land – nicht zu gefährden." Viele von ihnen haben seit März eine besonders große Finanzierungslücke zu stemmen, weil das Land ihnen die zu diesem Zeitpunkt deutlich angehobenen Tariflöhne nicht refinanziert. Hochgerechnet bedeutet das: Wenn eine normal große Kita mit 10 Mitarbeitenden in 1,5 Jahren eine zusätzliche Finanzierungslücke von 80.000 Euro zu stemmen hat, aus dem derzeitigen Überbrückungsgeld von insgesamt 100 Millionen Euro aber nur ca. 12.500 Euro erhält, kommen wir auf 400 Millionen Euro zusätzlicher Mittel, die die Träger unverzüglich benötigen.

Der Paritätische Kita-Bericht basiert auf einer Online-Umfrage zur Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen, an der zwischen Mai und Juni 2023 1.760 Mitarbeiter:innen aus Kitas teilgenommen haben. Die vollständige Studie, die in Zusammenarbeit mit der Universität Osnabrück erstellt wurde, könnt ihr hier herunterladen.

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